Ende Januar begann der Prozess vor der 6. Strafkammer des Landgerichts II in Berlin-Moabit gegen Lola Bach, zwei weitere Tänzerinnen und einen Schauspieler, der in ihren Pantomimen mitgewirkt hatte, „Dr. Römer“ und einen früheren Regisseur. Die Prozessführung lag in den Händen von Landgerichtsdirektor Brennhausen, die Anklage vertrat Staatsanwaltschaftsrat von Bradke. Als Zeuge der Anklage fungierte Kriminalbetriebs-Assistent Witte, der sich in einer Likörstube am Kurfürstendamm auf Spesen eine Mitgliedskarte der Gesellschaft der Freunde der Kunst verschafft hatte.
Frey gelang es tatsächlich das Gericht zu einem Lokaltermin zu überreden. Am 1. Februar 1922 berichtete die Vossische Zeitung nicht ohne Schmunzeln über die heikle Angelegenheit. Der 1. Lokaltermin war die Separatvorstellung einer geschlossenen Vorstellung der ‚Gesellschaft der Freunde der Kunst‘ in der Kleinkunstbühne ‚Potpourri‘, wobei die Tänze „Frühlingsstimmen“, „Die Motte flog zum Licht“ (leichte wehende Schleier) und die Pantomime „Mode-Ballett“ aufgeführt wurden, letztere „nur in Hüten letzter Creation, Strümpfen, hohen Stöckelschuhen und Spiegel in der Hand“. Den Abschluss bildete der Tanz „Die Nonne“. Der 2. Lokaltermin am späten Abend besah sich die öffentliche Veranstaltung der Kleinkunstbühne ‚Potpourri‘, die deutlich zurückhaltender ausfiel.
Gleichwohl wurde Lola Bach wegen Beihilfe zur Erregung öffentlichen Ärgernisses zu einem Monat Gefängnis mit Bewährung verurteilt. Römer durfte seine Gefängnisstrafe in 18.000 Mark Geldstrafe umwandeln.
Lola Bach tanzte jetzt in der „Weißen Maus“, einem Kabarett, in dem man, um unerkannt zu bleiben, eine weiße oder schwarze Maske tragen konnte.
„Auch in der ‚Weißen Maus’ tanzt Lola Bach, die in erster Instanz zu Gefängnis verurteilte, allabendlich munter weiter, und die Geschäftsreisenden aus dem Reiche, die sich das ansehen, sind enttäuscht: Für sie haben Lolas Mädchen zuviel an. Jene Saison, die während der großen französischen Revolution mit dem Umzug der nackten Göttin Vernunft anhub, neigt sich anscheinend auch im revolutionären Deutschland dem Ende zu. Ich glaube freilich noch an keine seelische Läuterung bei uns. Aber das Geld wird knapper, und die Polizei wird allmählich schärfer.“[4]
Dies bestätigte Frey, der Lola Bach ebenfalls in der „Weißen Maus“ traf. Den Handlungsreisenden habe Lola zu viel an. Sie sei nicht von „Dr. Römer“ losgekommen. Der Gedanke an ihr Kind treibe Lola Bach Tränen in die Augen.
Lola Bach war allem Anschein nach im Frühjahr 1921 die erste Nackttänzerin der zwanziger Jahre und brachte damit einen Stein ins Rollen, der sich nur anfangs mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen abbremsen ließ. Am 30. November 1923 hatte z. B. Anita Berber in Wien ihren Skandal-Auftritt, 1925 folgen Henny Hiebel (La Jana) und Josephine Baker. Der Nackttanz gehört seit Lola Bach zum unverzichtbaren Klischee der zwanziger Jahre.
Beeinflussungen von Filmen wie Lola Montez, die Tänzerin des Königs (Willi Wolff 1922), Ihre Hoheit, die Tänzerin (Richard Eichberg 1922), Die Tolle Lola (Richard Eichberg mit Lilian Harvey 1927) und Der blaue Engel (mit Marlene Dietrich als Lola, 1930) sind nicht auszuschließen.
Möglicherweise erhielt auch Vladimir Nabokov, der sich seit 1922 in Berlin befand, durch Lola Bach einige Anregungen zu seinem 1955 erschienenen Roman Lolita.[6]
[ „Lola Bach“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. Juli 2013, 18:20 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Lola_Bach&oldid=120452518 (Abgerufen: 30. Oktober 2013)]